Hunger- & Sättigungsskala
Vor kurzem habe ich das erste Mal einen Beitrag zum Thema „Mindful Eating“ hochgeladen. Vielleicht erinnert sich der oder die eine noch daran. Falls nicht, lies den Beitrag gerne hier nach, um einen guten Überblick und Einstieg in das Thema zu bekommen.
Heute geht es in meiner Mindful Eating Serie nach der Theorie nun weiter und zwar mit einem ersten kleinen Praxis Teil: Die Hunger- und Sättigungsskala.
Weiter unten findest du auch eine Druckvorlage, sowie ein Handy-Hintergrundbild. Beides kannst du dir gerne runterladen, um die Skala aktiv in deinem Alltag zu nutzen.
Um Mindful Eating zu praktizieren werden verschiedene Strategien empfohlen, welche sich zum einen auf die Grundhaltungen der Achtsamkeit nach Kabat-Zinn (1990) beziehen, zum anderen Strategien zur Ernährung in den Fokus stellen.
Die Grundhaltungen der Achtsamkeit, die Kabat-Zinn betont, beinhalten Aspekte wie die Fokussierung auf den gegenwärtigen Moment, das Akzeptieren ohne Bewertung und das Entwickeln einer offenen und nicht-wertenden Haltung. Diese Prinzipien können auf das Essen übertragen werden, um sich bewusst und ohne Vorurteile zu ernähren. Dazu gehört zum Beispiel das bewusste Kauen, um den Geschmack und die Textur der Nahrung vollständig wahrzunehmen. Das Erkennen von körperlichen Signalen wie Hunger und Sättigung spielt ebenfalls eine zentrale Rolle.
Inmitten des hektischen und stressigen Alltags neigen viele Menschen dazu, ihre Mahlzeiten nebenbei zu sich zu nehmen, während sie anderen Tätigkeiten nachgehen. Diese gehetzte Herangehensweise führt oft dazu, dass wir uns nicht bewusst darüber sind, was oder wie wir essen, den Geschmack kaum wahrnehmen und sogar das Sättigungsgefühl ignorieren. Zusätzlich beeinflussen Kommentare aus dem eigenen Umfeld bezüglich Portionsgröße, Lebensmittelauswahl oder Essenszeitpunkt oft das Vertrauen in das eigene Hungergefühl. Insbesondere in der Diätkultur wird das natürliche Hungergefühl unterdrückt und versucht zu manipulieren. Mahlzeiten werden bis zur „perfekten“ Uhrzeit hinausgezögert, und das Bedürfnis des Körpers wird dabei oft vernachlässigt.
Um wieder eine gesündere Beziehung zum Essen aufzubauen und bewusster auf die Bedürfnisse des Körpers zu achten, kann man auf die Hunger- und Sättigungsskala zurückgreifen. Die Skala dient dazu, den physischen Bezug zum Essen (wieder) neu zu erlernen und sich in einen besseren Kontakt mit dem eigenen Körper zu bringen. Die Skala hilft, die natürlichen körperlichen Signale zu erkennen und darauf zu reagieren, anstatt sich von äußeren Einflüssen oder gesellschaftlichen Normen leiten zu lassen. Ein bewusstes Nutzen der Hunger-Sättigungsskala kann somit einen wichtigen Schritt darstellen, um eine gesunde und achtsame Essgewohnheit zu entwickeln.
Was ist die Hunger- und Sättigungsskala?
Die Hunger- und Sättigungsskala ist eine Skala von 1 bis 10, wobei die 1 für extremen Hunger steht und Gefühle von Schwäche, Übelkeit, Kopfschmerzen und Energielosigkeit vorhanden sind. Die 10 wiederum beschreibt eine extreme Sättigung, auch „food coma“ (Seaton, 2021) genannt. Dabei kommt es oft zu einem körperlichen Unwohlgefühl mit schmerzhaftem gespannten Bauch. Der optimale Bereich, um eine Mahlzeit zu sich zu nehmen liegt zwischen 4 und 7. Demnach soll man bei leichtem Hunger essen und aufhören, sobald eine Sättigung einsetzt. Die Bewertung des Hungers soll vor dem Essen vorgenommen werden, die der Sättigung währenddessen und im Anschluss. Dadurch kann nicht nur der körperliche Bezug verbessert werden, sondern man lernt auch die benötigten Portionsgrößen zur Sättigung einzuschätzen.
Werte von 1 und 2 auf der Hunger- und Sättigungsskala bedeuten, dass der Körper stark nach Nahrung verlangt. Das Hunger Gefühl ist hier unangenehm, als würde man „verhungern“. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem es wichtig ist, auf die Signale des Körpers zu hören und sich auf eine ausgewogene Mahlzeit zu konzentrieren, um den Energiebedarf zu decken.
Werte zwischen 3 und 4 zeigen an, dass es Zeit für eine Mahlzeit ist, aber der Hunger noch nicht überwältigend ist. In diesem Bereich können kleine, nahrhafte Snacks oder eine ausgewogene Mahlzeit die beste Wahl sein. Generell ist das ein idealer Zeitpunkt um etwas zu essen.
Die Mitte der Skala (5) repräsentiert einen neutralen Zustand, bei dem weder Hunger, noch Sättigung besonders ausgeprägt ist.
Die folgenden Werte 6 bis 7 zeigen eine beginnende Sättigung. Diese tritt meistens nach etwa 20 Minuten ein. In diesem Bereich ist es ratsam, langsamer zu essen und auf die Körpersignale zu achten, um eine übermäßige Nahrungsaufnahme zu vermeiden.
Ein Wert von 8 bis 9 signalisiert, dass die Sättigung stark zunimmt und über die Sättigung hinaus gegessen wird. Das Ziel ist es, sich bewusst zu machen, wann man genug gegessen hat und nicht weiter zu essen, um Überessen zu verhindern und körperliche Beschwerden zu vermeiden.
Schließlich steht eine 10 für ein übermäßiges Sättigungsgefühl. Dies kann auftreten, wenn man zu schnell isst oder die Signale des Körpers aktiv ignoriert. Der körperliche Zustand bei einer 10 gleicht einem „food coma“ (Seaton, 2021) und sollte vermieden werden.
Die Hunger- und Sättigungsskala fördert ein achtsames Essverhalten und unterstützt dabei, das natürliche Hunger- und Sättigungsgefühl wiederzuentdecken. Indem man regelmäßig auf die Skala achtet, kann man eine gesündere Beziehung zum Essen aufbauen und besser auf die Bedürfnisse des eigenen Körpers eingehen. Probier es doch einfach einmal aus. Gerade am Anfang wird es erstmal komisch sein so in sich hinein zu horschen. Aber mit der Zeit wird es immer einfacher. Übung macht ja bekanntlich den Meister.
Um dir bei der Übung und dem (Wieder-)Erlernen deines Hunger- und Sättigungsgefühls zu helfen, habe ich zwei Hunger- und Sättigungsskalen für dich erstellt. Eine davon eignet sich hervorragend zum Ausdrucken und kann neben deinem Teller auf den Tisch gelegt werden. Während du isst, kannst du versuchen, hin und wieder kurz innezuhalten und in dich hinein zu spüren. Wie fühlst du dich? Verspürst du noch Hunger oder bist du möglicherweise schon satt? Vielleicht merkst du auch, dass du bereits satt bist, aber es fällt dir schwer die Gabel wegzulegen, weil das Essen so lecker schmeckt?
Es ist mir besonders wichtig zu betonen, dass diese Skala für mich kein Instrument für Diäten ist. Vielmehr geht es mir darum, dich dabei zu unterstützen, wieder stärker auf die Signale deines Körpers zu achten. Es ist völlig in Ordnung, gelegentlich zu viel zu essen und vielleicht sogar eine 9 oder 10 auf der Skala zu erreichen. Wichtig ist, dass du dabei erkennst, dass du satt bist, obwohl die Skala einen höheren Wert zeigt. Dies ist bereits ein bedeutender Schritt, aus dem du lernen kannst.
Die Skala soll dir helfen, bewusster mit deinem Essverhalten umzugehen und eine gesündere Beziehung zu deinem Körper aufzubauen. Nutze sie als Werkzeug, um wieder in Kontakt mit deinen körperlichen Bedürfnissen zu treten und die Freude am Essen zu erleben, ohne unnötigen Druck oder Restriktionen.
Die Hunger und Sättigungsskala adaptiert nach Tribole & Resch (2020):
Hier kannst du dir die Hunger- & Sättigungsskala als Pdf runterladen zum ausdrucken:
Falls du dir die Skala als Handy-Hintergrundbild machen möchtest, lade dir dieses Bild runter:
Quellen zum Nachlesen:
Kabat-Zinn, J. (1990). Full catastrophe living. Using the wisdom of your body and mind to face stress, pain, and illness. Delacorte Press.
McClain, D. (2020). Mindful Eating: An Essential Guide to Eating Based on Mindfulness and Ending Overeating, Binge Eating, Food Addiction and Emotional Eating.
Monroe, J. T. (2015). Mindful Eating: Principles and Practice. American Journal of Lifestyle Medicine, 9.
Seaton, N. (2021). Minful Eating: Develop a better relationship with food through mindfulness, Overcome Eating Disorders (Overeating, Food Addiction, Emotionals and Binge…) Weight loss without Diets.
Tribole, E. & Resch, E. (2020). Intuitive Eating, 4th Edition: A Revolutionary Anti-Diet Approach. St. Martin’s Essentials.
Tsui, V. (2018). The Mindful Eating Workbook: Simple Mindfulness Practices to Nurture a Healthy Relationship with Food. Althea Press.
Tylka, T. L. (2006). Development and psychometric evaluation of a measure of intuitive eating. Journal of Counseling Psychology, 53, 226-240. https://doi.org/10.1037/0022-0167.53.2.226